Die Foto-Reportage: In der Osterwoche leuchten in Mendrisio die «Transparenti»

"Transparenti"
© Vera Rüttimann

Im Innenhof hinter dem Kunstmuseum und der Kirche San Giovanni ist an Gründonnerstag der Teufel los. Hunderte Laiendarsteller probieren ihre kostbaren Gewänder an. Waffen und Rüstungen werden auf Hochglanz poliert. Die Transparente werden bereitgestellt, die halbdurchsichtigen Laternen, die so typisch sind für diese Prozession. Für Fotografen:innen sind die Osterprozessionen in Mendrisio im Tessin ein schöner Anlass. So viele attraktive Motive!

"Transparenti"
© Vera Rüttimann

Viel Betrieb auch in der Kirche San Giovanni Battista. Touristen stauen sich, um die kostbaren Transparente mit ihren Darstellungen biblischer Szenen an den Seitenaltären bestaunen.

Auch die Marienstatue Mater dolorosa wird bereit gemacht. Diese wird in der historischen Prozession am Karfreitag durch die Strassen des Dorfes getragen. Auch Jesus, der auf einem Podest in rotem Samt in der Kirche aufgebahrt ist, wird für die Prozession bereit bemacht.

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© Vera Rüttimann

Der Weg, den die Prozession nimmt, geht durch die Altststadt. Seit 1798 ist ihre Abfolge nahezu unverändert. Dramatisch bläst ein Trompeter zum Start. Etwa 270 kostümierte Darsteller, davon rund 40 zu Pferd, setzen sich in Marsch. Darunter Herodes, Pontius Pilatus und berittene römische Soldaten.

Die Prozession führt von der Serviten-Kirche San Giovanni durch die schmalen Gassen der Altstadt. Dann weiter über den Hauptplatz unter der Pfarrkirche der heiligen Kosma und Damian vorbei bis zur Kapuziner-Kirche. Und dann alles wieder zurück.

Transparente, Panettoni und Madonnen
"Transparenti"
© Vera Rüttimann

Die Ladenbesitzer haben sich für diese Karwochen-Tage ins Zeug gelegt. In den Schaufenstern der Geschäfte und in Vitrinen sind Elemente der Prozessionen ausgestellt.

In der Via Stella beispielsweise stehen Transparente in einer Bäckerei – zwischen einigen Panettoni der Marke «Colomba». In der «Stella-Pizzeria» ist ein Bild mit dem dornengekrönten Jesus zu sehen. In der Vitrine eines Designbüros steht ein Bild mit dem ausgepeitschten Jesus.

In einigen Schaufenstern stehen Puppen, verkleidet als römische Soldaten, in anderen Madonnen-Figuren. In einer anderen Gasse liegen Kreuzigungsnägel und eine Foto des italienischen Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini in einer Vitrine.

Hufgetrampel aus den Transparenten

Nicht nur die Vitrinen sehen dieses Mal anders auch. Auch die Kirchen haben sich besondere Dinge ausgedacht. Die Kirche der Heiligen Kosma und Damiano an der Piazza del Ponte wartet gleich mit mehreren Besonderheiten auf. Um zu ihr zu gelangen, muss der Gast eine steile Treppe erklimmen. Dabei passiert er lebensgrosse Transparente mit religiösen Abbildungen. Doch, was ist das? Aus ihnen ertönen Hufgetrappel, Trompetenklänge und Gesänge. Raffinierte Soundcollagen schaffen hier ein akustisches Erlebnis.

"Transparenti"
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Weiter geht’s zur im neoklassischen Stil erbauten Kirche. Davor stehen drei riesige Holzkreuze. Sie scheinen das Eingangsportal zu bewachen. Süssliche Weihrauchschwaden wabern aus der Kirche. Der Abendgottesdienst ist soeben zu Ende gegangen. Im Innern der Kirche glimmt es rot, gelb und orange. Die leuchtenden Farben stammen von mehreren beleuchteten Schaubildern aus durchsichtigem Stoff. Geschaffen hat sie der Maler Giovanni Bagutti.

"Transparenti"
© Vera Rüttimann
Schön, uralt, erblindet

Es geht wieder die Stufen hinunter, hinein in die Altstadt. In den Vitrinen sind Bilder der Gewänder zu sehen, die die Laienschauspieler bei den Gründonnerstag- und Karfreitag-Prozession tragen. Sie sind reich geschmückt. Einst erwarb man sie von der Mailänder Scala, dem Opernhaus.

"Transparenti"
© Vera Rüttimann

Kostbar und sehr alt sind auch die Transparente, die überall die Altstadt schmücken. Das ist einigen anzusehen. Die Abbildungen von Heiligen, Madonnen und Jesusfiguren sind nur noch schemenhaft zu erkennen. Manche Motive sind ganz «erblindet».

Besonders kostbare Prozessionsgegenstände befinden sich im Museum der Transparente. In einem alten Patrizierhaus an der Casa Croci sind 26 Objekte zu bestaunen. Darunter sind Lampions, Balkone und Instrumente. Die ältesten Gegenstände stammen aus dem Jahr 1790.

Die Prozessionen mit ihren leuchtenden Transparenten, die sich wie eine glühende Perlenschnur durch die Altstadt ziehen, schaffen jedes Jahr eine besondere Stimmung.

"Transparenti"
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Die Nacht senkt sich über Mendrisio. In der Bar von Sonja Pedrini herrscht jetzt Hochbetrieb. Die jungen Leute sitzen auf den alten Mauern, essen Pizza und geniessen ihren Aperol Spritz. Ostern kann kommen.

"Transparenti"
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