Eröffnungsweekend: 5. & 6. Mai 2023
Finisage 26. August 2023
Ort: Konzept- und Kulturraum ink Appenzell
Presenting Partner der Ausstellung ist Leica Camera Schweiz

Am letzten Donnerstag veranstaltete Leica Schweiz zusammen mit dem «ink» (federführend ist Thomas Biasotto) einen wunderbaren Fotoabend. Fünf bekannte Fotografen mit Wurzeln im Appenzellerland zeigten Aufnahmen aus der ganzen Welt. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich ihre fotografischen Ansätze und Sichtweisen sind und welche Eindrücke sie mit nach Hause bringen.

Dominic Nahr (siehe oben) zeigt Bilder aus dem Ukraine-Krieg. (dazu folgt später ein Interview mit ihm).
Mäddel Fuchs zeigt eine religiöse Prozession durch karge spanische Landschaften.
Thomas Biasotto zeigt beeindruckende Momentaufnahmen aus pulsierenden Metropolen wie New York.
Bis in die späten Abendstunden unterhielten sich die Fotofreunde angeregt bei kulinarischen Köstlichkeiten aus der Region.

Interview mit Hansjörg Hinrichs
Er bereist seit über 35 Jahren als Expeditionsleiter und Fotojournalist den Südpazifik. Er hat unzählige Inseltage im Kreise der Eingeborenen verbracht. Als Inhaber des Reiseunternehmens «The Pacific Society » bietet er exklusive Erlebnisreisen in kleinem Kreise in Ozeanien an. Zudem vermittelt Hinrichs als Referent differenzierte Einblicke in die Inselwelten der Südsee. Im Juli 2017 erschien sein Bildband «Sehnsucht Südsee».

Was sind das für Menschen, die wir hier auf diesen Bildern sehen?
Sie zeigen Männer und Frauen von Stämmen in Papua-Neuguinea. Sie leben in sich geschlossene Welten, fernab des Massentourismus. Sie leben eine Kulturform, die nur möglich ist, weil sie sehr integrativ leben. Sie sind darauf angewiesen, denn sonst zerstören sie ihren Lebensraum. Diese Bilder sind Ausdruck von dieser Verbundenheit, aber nicht nur.
Wie erlebten sie Nächte im Urwald?
Für mich war es anfangs sehr mühsam zum schlafen. Die ganze Region ist, man muss es so sagen, eher nachtaktiv. Es ist heiss, die Tropenhitze ist lähmend. Wenn die Sonne untergeht, dann geht’s los. Es fängt ein Konzert an Stimmen an, was ich bis dahin noch nicht gekannt habe. Es gehört für mich zum Faszinierendsten überhaupt. Aber an Schlafen kann ich gar nicht denken.

Die Bilder wirken sehr spirituell. Wie kommt das?
In ihrem Daseins-Verständnis haben diese Menschen das Gefühl, dass es nach dem Tod weiter geht. Sie glauben, dass die Verstorbenen im Dschungel als andere Lebewesen wieder kommen. Sie leben in einem spirituell geprägten Universum. Diese Zeremonie zeigt der Versuch, wie sie mit den Ahnen in eine eine Beziehung kommen. Deshalb schmücken sie sich entsprechend. Der Vorgang vom Schmücken geht ca. 14 Tage.
Auf den Bildern tragen die Menschen besondere Perücken
Ja. Das Wesentliche ist der Haarschmuck. Für ihre Perücken suchen sie sich die Federn von den schönsten Paradiesvögeln aus. Die Perücken werden mit einer eigenen Kreativität umgesetzt.
Was hat es mit diesen besonderen Haaren in den Perücken auf sich?
Das Haar ist für sie das Zeichen von Energie und Verbundenheit. Und wenn das Haar wächst, dann wird es von ihnen geschnitten, aufbewahrt oder verbrannt. Das, was aufbewahrt wird, wird nachher sehr kunstvoll zu einer Perücke verwoben. Je nach Stamm in einer anderen Ausformung. In den Haaren sind die Haare eines Neugeborenen, eines Familienangehörigen oder eines Verstorbenen drin. In diesem Sinn ist ihr Energieveständnis und dem Verbunden-Sein mit dem Universum etwas vom Fantastischsten, was ich je erlebt habe.

Was passiert während den Zeremonien?
Da wird nur geflüstert. Es ist eine fast heilige Atmosphäre.
Wie fotografieren Sie?
Bei einer solche Zeremonie bin ich als Fotograf nicht erkennbar. In einer ersten Phase beobachte ich nur, was passiert. Dann sage ich in einem zweiten Schritt dem Gegenüber, was ich als Fotograf genau mache. Im meisten Fall habe ich einen Satz Postkarten aus Appenzell mit dabei, wo es Kühe, den Säntis und Schnee drauf hat. Dann sage ich ihnen: Hört mal, die Leute bei mir zu Hause haben keine Ahnung, wie ihr lebt. Ich würde ihnen gerne etwas davon zeigen und erzählen.
Ein weiterer Punkt ist: Sie müssen meinen Respekt spüren. Sie haben über die Kolonialisierung erfahren, dass das, was sie leben als «wild» bezeichnet wurde. Wenn ich ihnen sage, dass ich ihre Aufmachung schön finde, dann gibt das eine ganz andere Kommunikationsebene.
Mit welcher Technik arbeiten Sie als Fotograf?
Ich arbeite mit Brennweiten ab 50 Millimeter bis 200 Meter. Ich verwende keine Blitze, arbeite viel mit Sonnenlicht. Ich fotografiere ganze Serien durch. Manchmal sind die Moment so emotional, dass es mich als Fotograf total reinzieht.
Waren Sie einmal in einer gefährlichen Situation?
Nie! Sie haben eine grosse Herzenswärme, wenn man von ihnen akzeptiert ist.
Wie haben Sie diese Menschen erlebt?
Diese Leute sind gar nicht «Wilde», wie sie früher bezeichnet wurden. Sie sind mit einer ganz besonderen Sensorik ausgestattet. Vieles von dem, was sie leben, haben wir verlernt. Diese Nähe zur Natur und ihr Nähe untereinander. Diese Zivilisationen werden nicht überleben, aber genau deshalb ist es für mich so schön, wenn ich sie auf meinen Reisen zu ihnen treffen kann.
Im Fotobuch «Sehnsucht Südsee» blättern: www.pacificsociety.ch/sehnsucht-suedsee/
