FOTO-REPORTAGE: Reise zu Papst Benedikt

Der frühere Papst Benedikt XVI. ist tot. Er starb am 31. Dezember 2022 mit 95 Jahren im früheren Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan. Wie all seine Vorgänger auch, stand er stets im Fokus der Fotografen. Bis er sich 2013 überraschend in ein Kloster im Vatikan zurückzog.

Ich habe das Innere des Vatikans, die Kaserne der Schweizergarde sowie die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo mehrfach besucht. Augenweiden für Fotografen. Papst Benedikt habe ich mehrfach gesehen. Hier einige persönliche Momentaufnahmen.

Papst Benedikt
Audienz mit Papst Benedikt (© Vera Rüttimann)

Eine besondere Prozedur für Fotografen ist stets die Akkredititierung beim Pressebüro des Vatikans für eine Papstaudienz. Viele Mails gehen hin und her. Und nicht jeder Fotograf erhält eine Bewilligung. Etliche Jahre dokumentierte ich die «Schnupperwoche» zur Schweizergarde, wo angehende Gardisten den Vatikan und die Garde-Kaserne besuchen konnten.

Papst Benedikt
Audienz mit Papst Benedikt (© Vera Rüttimann)

Wer in den Vatikan will, muss durch die Porta Sant’ Anna. Ein faszinierender Ort. Allein die Szenerie rund um dieses Tor ist einer Opern-Inszenierung würdig. Ein Schauspiel, das ich jedes Mal genoss. Hupend fahren jeweils behelmte Vatikan-Mitarbeiter auf ihren Vespas durch das Portal. Kleriker mit weissem Römerkragen trinken gegenüber noch schnell ihren Espresso, bevor sie durch das Tor eilen. Touristen schauen denen, die hier reindürfen, neugierig nach.

Papst Benedikt
(© Vera Rüttimann)

Gardisten sind jeweils damit beschäftigt, die richtigen Personen passieren zu lassen – die Kontrolle ist streng. Viele Male ging ich selbst durch dieses Tor. Mein Ziel: Die Kaserne der päpstlichen Armee. Mit dabei war meist der Schweizer Pfarrer Ernst Heller, der für die Rekrutierung angehender Schweizer Gardisten zuständig war und «Schnupperreisen» in den Vatikan organisierte.

Papst Benedikt
Ernst Heller mit Schweizergardist (© Vera Rüttimann)
Papst Benedikt
In der Gardekaserne (© Vera Rüttimann)

Die Garde-Kaserne – ein eigener Kosmos

Auf dem Kasernenhof der Schweizer Garde exerzieren unaufhörlich Gardisten in rot-gelb-blauen Uniformen, den Traditionsfarben des Hauses Medici. Drinnen üben sich junge Männer in Disziplinen wie Kampfkunst und Gesichtserkennung. Neben der Tradition wird auch der Sicherheitsauftrag gross geschrieben.

Papst Benedikt
Eine Welt für sich (© Vera Rüttimann)

Dem Liebhaber alter Uniformen geht in der Schneiderei das Herz auf. Flinke Hände schneidern dort den Gardisten die Uniform auf den Leib. Stoffstreifen liegen auf Holzgestellen bereit. Die Uniformen der Schweizergardisten sind Augenfutter für jeden Fotografen!

Weiter geht es zur Armeria, wo das jahrhundertealte Uniform- und Waffenarsenal der Garde lagert. Gross sind meine Augen immer, wenn der Blick auf Zündnadelgewehre, eingefettete Brustpanzer und Galauniformen unterschiedlichster Epochen fällt.

Papst Benedikt
Schneiderei in der Kaserne (© Vera Rüttimann)
Papst Benedikt
Anproben in der Kaserne (© Vera Rüttimann)

Bei der Tour durch die Kaserne öffnen Gardisten den Besuchern der Schnupperwoche ihre Zimmer. Die Kojen sind eng, aber mit modernen Klimaanlagen, W-Lan und Flachbildschirmen ausgerüstet. An den Spinden prangen Fotos vom Tag der Vereidigung. Nach einigen Besuchen verfügt man über ein gewisses Insiderwissen über den Vatikan und die Schweizergarde.

Papst Benedikt
Zimmer eines Gardisten (© Vera Rüttimann)

Im Apostolischen Palast

Der Höhepunkt eines Besuches im Vatikan war für mich stets der Besuch im Apostolischen Palast. Hier begegnete ich mehrfach auch Papst Benedikt auf seinen Rundgängen. Hier befindet sich die Hochsicherheitszone der katholischen Kirche. Ausser Klerikern gelangen hier nur wenige Menschen hinein – und wenn, dann nur durch Beziehungen oder glückliche Umstände.

Papst Benedikt
Im Apostolischen Palast (© Vera Rüttimann)

Die erste Loggia des labyrinthisch anmutenden Palastes mutet filmreif an. Wie das ganze Gebäude. Gardisten mahnen, dass man hier nicht die falsche Abzweigung nehmen dürfe. Dunkel und menschenleer ist es in den langen Gängen. Auf ihnen liegt buchstäblich der Staub der Jahrhunderte. Ein langer, dunkler Treppenaufgang führt zu goldglänzenden Räumen, wo die Künstler ihrer Zeit Unsterbliches geschaffen haben. Wie in der Sala Regia. Man fühlt sich geadelt, ihn zu sehen. Unweit des prächtig ausgemalten Königssaals befindet sich die Sixtinische Kapelle. Dort, wo sich sonst das Volk staut, kommen wir per Sondergenehmigung hinein. «Silenzio!», zischt es im Freskentempel jeweils alle fünf Minuten.

Papst Benedikt
In der Sala Regia (© Vera Rüttimann)
Papst Benedikt
In der Sakristei des Papstes (© Vera Rüttimann)

In einer der Wochen in Vatikan gelang ich mit der Schnupperwoche durch einen glücklichen Zufall in die päpstliche Sakristei neben der Sixtina. Als der Sakristan die schwere Tür zu seinem Reich öffnete, lagen dort auf einem Schragen kostbare Soutanen, Mitren und Hirtenstäbe, die diverse Päpste trugen. Auch der berühmte Stab mit dem leicht gekrümmten Eisen-Kruzifix, den Johannes Paul II. oft hielt.

Oft war ich auf dem Damasushof, auf dem jeweils die Limousinen der Staatsmänner vorfahren. Dort berichtete ein Gardist einmal, wie sich in den stickigen Gängen im Sommer der Schweiss unter dem federgeschmückten Helm ansammeln kann. Er erzählte von fiesen Bienen in der Kniekehle beim stundenlangen Strammstehen. Vom heimtückischen Jucken im Rücken und von mühsam unterdrückten Hustenanfällen vor dem Papst.

Papst Benedikt
Schweizergardist (© Vera Rüttimann)

Auf der Rückseite der Peterskuppel

Auch das Areal rund um die Vatikanischen Gärten, dort, wo der Papst Emeritus lebte, ist reich an faszinierenden Flecken: die Mosaik-Werkstatt, in der Mosaizisten an Auftragswerken arbeiten oder der Campo Santo Teutonico, der deutsche Friedhof, wo man den Fuss auf jahrhundertealte Grabplatten deutschstämmiger Pilger und Theologen setzt. Im angrenzenden Priesterkolleg Teutonicum soll der junge Rolf Hochhuth 1959 den Stoff für sein Theaterstück «Der Stellvertreter» gesammelt haben.

Papst Benedikt
Mosaikwerkstatt (© Vera Rüttimann)

Unterwegs in den Vatikanischen Gärten freute ich mich stets auf die grünen Papageien. Ein Bischof hatte sie einst hierher gebracht. Seitdem vermehren sie sich freudig. Weiter ging es zu einem Plateau. Hier befindet sich der kleine Platz, von dem der scheidende Papst an seinem letzten Arbeitstag mit dem «Papakopter» Richtung Castel Gandolfo flog.

Mehrfach erlebte ich mit Garde-Aspiranten eine Papst-Audienz. Dabei sassen wir jeweils beim Arco delle Campagne. Von diesem oberen Podest vor dem Petersdom aus ist es stets ein Vergnügen, zu sehen, wie sich der Petersplatz mit farbenfrohen Pilgerscharen füllt.

Am 13. September 2006 kam es zu einem erlesenen Alternativprogramm. Benedikt XVI. weilte an diesem Tag just auf Heimat-Reise in Bayern. Statt einer Audienz ging es für die Garde-Aspiranten dafür nach Castel Gandolfo, der päpstlichen Sommerresidenz. Das «Casteli», wie Gardisten es nennen, liegt idyllisch am Rande eines Kratersees gelegen, fünf Kilometer südöstlich von Rom.

Castel Gandolfo – ein Stück Himmel auf Erden

Gardisten schätzen das Felsenstädtchen, weil hier Papst, Angestellte und päpstliche Leibwache quasi unter einem Dach wohnen und dadurch eine besondere Nähe entsteht. Die Gastgeber zeigten ihren Schweizer Gästen ihre Kaserne und führten sie auch auf die breite Terrasse des Gebäudes hinaus. Dort luden Nonnen zu Speisen und Wein ein. Tief unter uns schimmerte der Albaner See, in dem die Gardisti im Sommer baden. Ein Ort von himmlischer Schönheit. Auf exakt jener Bank, auf der ich den Wein kostete, sass, so beteuerte mir ein Korporal, auch Papst Benedikt XVI., als er im August 2005 hier spontan auftauchte und mit Gardisten frühstückte.

Papst Benedikt
Nonne im Casteli (© Vera Rüttimann)
Papst Benedikt
Gärten im Castel Gandolfo (© Vera Rüttimann)
Papst Benedikt
Gärten im Casteli (© Vera Rüttimann)

Wenig später ein Programmpunkt, der unauslöschlich in meinem Gedächtnis haften bleibt: In einem exklusiven Spaziergang durften wir die Gärten des Belvédères betreten. Dieses diskrete Fleckchen Erde ist für Besucher normalerweise kaum zugänglich. Es ist der einzige Ort, an dem der Papst ansonsten ganz für sich ist. Als das Gittertor aufging, wurde mir ganz anders. Es ist unwirklich still hier. Nur das Blöken der Tiere des päpstlichen Bauernhofes war zu hören. Wir passierten endlose Olivenhaine und kamen auch am Seerosenteich mit den Koj-Karpfen vorbei, an dem Benedikt XVI. oft meditierte. Ich sprach mit dem Gärtner, der an manchen Tagen den Papst Klavier spielen hörte, wenn sein Fenster offen stand. Von den Terrassen des Belvédères aus ist das Meer zu erahnen. Das Licht so weich, die Landschaft wie gemalt. Es ist überwältigend schön hier.

Aktuell

Empfohlene Artikel