Pixelnews besucht: Valie Export im Fotomuseum Winterthur

Heute ein Besuch im Fotomuseum Winterthur. «VALIE EXPORT» – in grossen Lettern prangt ihr Name auf dem Ausstellungsplakat. Der Name ist ein Geniestreich: Die in Linz geborene Waltraud Lehner legte 1967 ihren bürgerlichen Namen ab und nannte sich fortan „VALIE EXPORT“. Auf dem Plakat posiert sie mit einer Packung „Smart Export“, einer österreichischen Kult-Zigarettenmarke. Das beindruckende Selbstporträt ist auch in der Ausstellung zu sehen.

Die Ausstellung «VALIE EXPORT – Die Fotografien» stellt erstmals das fotografische Werk von Valie Export in den Fokus. Da ist ein Versäumnis nachzuholen, denn viele kennen die österreichische Künstlerin meinst nur von ihren provozierenden Performances und experimentellen Installationen.

Valie Export
© Vera Rüttimann

EXPORT fertigte ab den 1970er-Jahren fotografische Serien an. Mit ihren Konzeptfotografien analysiert EXPORT die Funktions-, Darstellungs- und Wahrnehmungsweise von Bildern und sprengte damit Seegewohnheiten.

Schon das erste Werk, das man beim Betreten der Ausstellung sieht, dreht sich um patriarchale Machtstrukturen. Provokant trat sie 1968 für «Aktionshose Genitalpanik» vor die Kamera.

Valie Export
© Vera Rüttimann

Valie Export sitzt, in Lederjacke, mit Maschinengewehr am Anschlag, die Beine breit gespreizt, auf einer Bank. Die Jeanshose im Genitalbereich ist ausgeschnitten. Es ist kaum möglich, den Blick auf ihre behaarte Vulva abzuwenden. Die zur ausgestellten Frau reduzierte Künstlerin drehte den Spiess um und wurde zur Darstellenden. Ein beeindruckendes Zeugnis weiblicher Selbstermächtigung.

Kaum erwähnt wird in den Rezensionen die grossartige Siebkunst. Die Bilder wurden farblich extrem stimmig gehängt. Zudem wurden die Fotos auf hochwertige Papiere gedruckt. Das ist mehr als nur ein visueller Eyecatcher als Entree zu dieser Ausstellung.

Die meisten Ausstellungsberichte legen den Fokus auf Events wie die «Aktionshose Genitalpanik». Dabei gehen einige interessante Aspekte dieser Ausstellung etwas unter. So etwa Exports Auseinandersetzung mit Religion und Kirche. Damit kam sie früh in Berührung. In Linz besuchte sie einst eine Klosterschule – und wurde dort wegen ihrer frechen Art, ihrer grenzenlosen Neugier und ihrer Kritik an gesellschaftlichen und kirchlichen Konventionen, gleich mehrfach geschmissen. Ein Bild in der Ausstellung zeigt Jesu Kreuzabnahme und Exports Körperhaltung, die einer trauernden Madonna ähnelt.

Valie Export
© Vera Rüttimann

Im Zentrum ihres Werks steht das Verhältnis von Subjekt und Raum, Körper und Blick und Weiblichkeit. Immer wieder zog es sie deshalb in den öffentlichen Raum. Ihre Fotoserie „Körperkonfigurationen“ berührt mich am meisten. Mit ihrem Körper „vermisst“ sie die gebaute und verbaute (verunstaltete) Umwelt. Man sieht Fotos, in der sie seltsam verkrümmt in der Landschaft steht. Aufnahmen, in der sie ihren Körper um einen Randstein schmiegt, über eine Mauer lehnt oder sich um eine Hausecke legt.

Valie Export
© Vera Rüttimann

Was mich besonders berührt: Es ging Valie Export nicht nur um Themen wie einengende Macht und im öffentlichen Raum. Sie wies mit ihren körperlichen Verkrümmungen auch auf «blinde» Flecken in der jüngeren Geschichte hin. Auf Orte, wo Juden deportiert wurden. Auf Gebäude, in denen Täter des Nationalsozialismus nach dem Krieg ungehindert weiter wirken konnten.

Um Ent- und Umschichtung geht es auch in diesem Werk. Ein Siebkunstwerk, gedruckt auf Glasplatten. Es zeigt, ganz verschachtelt, ein Zug. Eine Fahrt ins Nirgendwo.

Valie Export
© Vera Rüttimann

VALIE EXPORT (*1940 in Linz)

Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Linz und an der HBLVA für Textilindustrie
in Wien; Pionierin konzeptueller Medien-, Performance- und Filmkunst; Teilnahme an zahlreichen internationalen Ausstellungen u.a. an der documenta 6 und 12 in Kassel, im Centre Georges Pompidou, Paris, The Museum of Modern Art, New York, an der Biennale di Venezia, in der Tate Modern, London. Lehrtätigkeit u. a. an der UdK Berlin und an der KHM Köln; 2017 wurde das VALIE EXPORT CENTER LINZ eröffnet.

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